Das Gebärhaus
► Aufnahmebedingungen und Anonymität
Die wichtigste Bedingung für die Aufnahme der Mütter ins Gebärhaus war, dass sie ledig waren, wobei verwitwete Mütter diesen gleichgestellt waren. Die Möglichkeit der anonymen Geburt war den Müttern von Beginn an garantiert und selbst vor Gericht durfte der Aufenthalt im Gebärhaus nicht als Indiz für eine heimliche Geburt gewertet werden.
In den ersten Jahren der Anstalt konnten sich noch 70 % der Frauen diese Anonymität leisten, ihre Zahl sank allerdings im Laufe der Jahre. In den 1860er-Jahren setzte eine Diskussion um die Anonymität ein. 1899 kam es schließlich zur endgültigen Aufhebung des Anspruchs auf Anonymität.
► Die Mütter
Das Bild der ledigen Mütter, welches zur Zeit der Existenz des Gebärhauses kolportiert wurde, lässt sich anhand eines anlässlich der Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses verfassten Textes ablesen:
„Rückwärts zur Rechten stößt das sogenannte Gebärhaus an, wo die Aufnahme wieder nach verschiedenen Klassen geschieht. Hier wird das Schlachtopfer der Verführung und die schamlose Freudendirne mit gleicher Menschlichkeit aufgenommen. […] Hier wird sie Mutter, und verläßt das Haus, ohne erkannt zu werden.“
► Ablauf
Frauen kamen üblicherweise am Tag vor der Geburt in das Gebärhaus. Über ihre Aufnahme entschied die Oberhebamme nach einer körperlichen Untersuchung. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt konnten die Schwangeren aufgenommen werden (was zum Beispiel die Geheimhaltung erleichterte), wenn sie sich den Wärterinnen als Magd zur Verfügung stellten. Die Statuten sahen grundsätzlich vor, dass die Schwangeren der Gratis-Abteilung zu Arbeiten, die für den Betrieb des Findelhauses notwendig waren, eingeteilt wurden. Erst 1900 wurden sie von „groben Arbeiten“ ausgenommen, zu diesen gehörten etwa Holzspalten, Wäschetragen und ‒ bis zur Anbindung an die Wiener Hochquellenleitung 1875 ‒ Wasser in höhere Stockwerke tragen. Ab 1900 wurden schwere Arbeiten von Taglöhnern erledigt.
Den Neuaufgenommenen wurde zunächst die Beichte abgenommen, ab 1822 bekamen sie zudem Religions- und Sittenunterricht ‒ was sonst im Allgemeinen Krankenhaus nur in der Syphilis-Abteilung üblich war.
Die Säuglinge wurden schnellstmöglich in der Hauskapelle getauft, in kritischen Fällen erfolgten sofortige Nottaufen durch die Hebamme. Dabei wurden jene Findelkinder, die in der Gratisabteilung zur Welt gekommen waren, ungeachtet der Konfession ihrer Mütter katholisch getauft. In der Bezahlabteilung waren Kinder von Müttern protestantischen Glaubens von der Zwangstaufe ausgenommen, die Kinder wurden trotzdem katholisch erzogen. Kinder jüdischer Herkunft wurden katholisch zwangsgetauft. Erst 1868 sah man von der katholischen Zwangstaufe ab, die Mütter konnten nun die Religion ihrer Kinder selbst wählen.
Nach der Geburt blieben die Mütter mit ihren Kindern noch einige Tage im Gebärhaus, um sie zu stillen. Frauen aus der Gratisabteilung waren verpflichtet, sich nach Entlassung im Findelhaus als Amme vorzustellen, wobei nur ein geringer Teil aufgenommen wurde. Einige wurden durch das hauseigene Säugammeninstitut an Privatpersonen vermittelt.
► Die Väter
Es entsprach dem Verständnis von Anonymität, dass nach den Vätern der unehelichen Kinder nicht geforscht wurde, das besagten auch die Direktivregeln. Daran änderte sich auch nichts, nachdem 1811 die Unterhaltspflicht des Vaters im ABGB eindeutig geregelt wurde.
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