Diskriminierung von jüdischen Frauen und ihren Kindern

Die katholische Zwangstaufe der Kinder von jüdischen Frauen zeigt die rechtliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Menschen jüdischen Glaubens im 18. und 19. Jahrhundert. Doch die Zwangstaufe hatte neben der katholischen Erziehung bei den Pflegeeltern noch weitreichendere Folgen: Wollte eine jüdische Mutter ihr Kind zurücknehmen, egal ob vor oder nach Ablauf der Findelpflege, wurde ihr dies mit der Begründung der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit verwehrt. Auch während der Findelpflege wurde der Kontakt zwischen jüdischen Müttern und ihren katholisch zwangsgetauften Kindern konsequent unterbunden, die Mütter durften weder Namen noch Aufenthaltsort ihrer Kinder erfahren. Das galt nur dann nicht, wenn die Mutter ihre Aufnahme in der katholischen Kirche bestätigen konnte.

Ab 1848 erfolgte Proteste der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurden mit Verweis auf die bestehenden Regelungen zurückgewiesen. Der damalige Findel- und Gebärhausdirektor Franz Prinz bezeichnete es 1852 als undurchführbar, jüdische Pflegeeltern zu suchen oder für eine gesonderte Speisenzubereitung im Gebärhaus zu sorgen. Außerdem sei es das Recht des Staates, die ihm überlassenen Kinder in der Religion der Mehrheit zu erziehen. Erst ab dem Jahr 1868 konnten Mütter über die Religionszugehörigkeit ihrer Kinder entscheiden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren jüdische Mütter auch von der Ammenwahl im Findelhaus ausgeschlossen.

Zwangsgetaufte Kinder jüdischer Mütter wurden bei den Pflegeparteien schlechter versorgt als Kinder katholischer Mütter. Das zeigt sich in einer erhöhten Sterblichkeitsrate: Um die Mitte des 19. Jahrhunderts starben noch immer 94 % dieser Kinder. Von den 1816 bis 1868 belegten über 2.500 jüdischen Kindern wurden alle getauft und von ihren Müttern getrennt. Nach 1868, als die Zwangstaufe weggefallen war, kamen jüdische Kinder aufgrund des Mangels an jüdischen Pflegefrauen teilweise auch zu katholischen Pflegeeltern. Diese durften die verstorbenen Pflegekinder in die Findelanstalt zurückbringen; es wird angenommen, dass diese Regelung ihre Ursache darin hat, dass katholische Pfarrer sich häufig weigerten, ein jüdisches Kind zu begraben. Die überdurchschnittlich hohe Sterblichkeit jüdischer Kinder sank schlagartig, nachdem sich die Kultusgemeinde 1871 zu jährlichen Zahlungen an das Findelhaus entschloss.